Villen in Mülheim
Überblick
Anfang des 19. Jahrhunderts entstanden in Mülheim, wie auch in vielen anderen Teilen des Ruhrgebiets, Produktionsstätten und Fabriken. Dies war die Blütezeit der Industrialisierung in den Gebieten an der Ruhr. Namen wie Stinnes, Krupp, Thyssen und Coupienne sind hiermit untrennbar verbunden. Die Werke lagen zumeist im Stadtkern der jeweiligen Stadt. In unmittelbarer Nähe waren Villen für die Fabrikbesitzer und Industriellen entstanden. Auch in Essen gab es einige Beispiele. Dort wurde der Charlottenhof - heute in Essen-Kettwig - als Wohnhaus für den Industriellen Friedrich Flick errichtet. Friedrich Krupp bewohnte sogar ein Haus mitten auf dem Betriebsgelände seines Werkes. Sie konnten somit problemlos und schnell ihre Arbeitsplätze erreichen.
Die Unternehmerfamilien, die häufig durch Eheschließungen untereinander verbunden waren, bevorzugten es, „unter sich“ zu bleiben. Somit kristallisierten sich in der Mitte des 19. Jahrhunderts beliebte Wohngegenden heraus, die sich auf bestimmte Straßen und Straßenzüge beschränkten. Ein gutes Beispiel ist die in der Stadtmitte Mülheims oberhalb der Ruhr gelegene Friedrichstraße, an der zahlreiche Villen entstanden und die den Beinamen „Straße der Millionäre“ trug. Einige Villen, wie die des Großindustriellen August Thyssen und des Papierfabrikanten Vorster, waren von großzügigen Parks umgeben und boten somit Naherholung auf dem eigenen Anwesen. Diesen Luxus boten die die meisten der damaligen stadtnahen Domizile jedoch nicht. [2]
Die Nachfrage nach einer Art „Landerholung“ kam auf und nicht wenige Mülheimer Geschäftsleute begannen, ihre Residenzen außerhalb Mülheims zu suchen. Dies war jedoch für die Stadt von Nachteil, da die Gewinnversteuerung der Unternehmer stets am Wohnort erfolgte. Bereits 1873 ließ sich Alfred Krupp eine Villa im damaligen Bredeneyer Wald (Klosterbusch) errichten. Gemeint ist das Wohn- und Repräsentationshaus der Industriellenfamilie Krupp- die Villa Hügel. Auch August Thyssen, der in der Nähe seines Styrumer Werkes wohnte, machte sich - möglicherweise gedrängt von seiner Familie - auf die Suche nach einem ruhigeren und repräsentativeren Wohnsitz. Er fanden diesen 1903 in dem in Kettwig gelegenen Schloss Landsberg. Thyssen erwarb das Schloss und bezog es 1904 nach einem umfangreichen Ausbau. Einer der einflussreichsten Bürger Mülheims war damit aufs Land „geflüchtet“. [2]
Villen an der Friedrichstraße
Entlang der Friedrichstraße, benannt nach Kaiser Friedrich III. (1831 - 1888) und auch als „Straße der Millionäre“ bekannt, stehen repräsentative Wohnhäuser der früher führenden Mülheimer Unternehmerfamilien. Statt im ganzen Stadtgebiet verteilt, wurden die Villen nach dem Vorbild des Berliner Tiergartenviertels eng versammelt. Die Friedrichstraße verkörpert noch die erste Stufe einer Nähe von Laden, Kontor und Wohnung, wie er in der Stadt zuvor üblich war. Auch die Entwicklung von der eingebundenen Straßenfassade zum ringsum gestalteten, plastisch erlebbaren Wohnhaus wird hier deutlich. Architektonisch spannt sich der Bogen über spätklassizistische Strenge und die Opulenz und Prachtentfaltung des Historismus zu den gediegenen Formen eines bürgerlichen Neobarock. [1]
Mülheim - Schloss Styrum - zeitweilig Aufenthaltsort von August Thyssen, ab 1930 Wohnsitz von Franz Lenze (1878 – 1937), Generaldirektor der Thyssen’schen Gas- und Wasserwerke - eingebunden über Wikimedia Commons
Villa Coupienne, Friedrichstraße 40
Der Lederfabrikant Eugen Coupienne (1843 - 1907) ließ sich dieses großbürgerliche Wohnhaus 1872 - 1875 errichten. Es zeigt Formen eines französisch geprägten Barockklassizismus: Über einem kräftig gequaderten Sockelgeschoss ist das Parterre noch mit leichten Putzfugen versehen. Erst die Beletage besitzt auf glattem Untergrund schlanke, hohe, einzeln übergiebelte Fenster. Die Straßenfassade ist in drei gleiche Achsen gegliedert; Eckquaderung begrenzt die Wandflächen. Eugen Coupienne, ein Onkel von Hugo Stinnes, engagierte sich als Lederfabrikant maßgeblich in den entsprechenden Wirtschaftsverbänden. Mülheim wär einst die Lederstadt im Ruhrgebiet. Zu Lebzeiten Coupiennes gab es in Mülheim über 50 Lederfabriken. Leder wurde einst für die Montanindustrie - z.B. Treibriemen, Geschirre für die Transportpferde, Schutzkleidung - und für das Militär gebraucht. [1]
Villa Hanau, Friedrichstraße 54
Die Villa Hanau ist eine Unternehmervilla in Mülheim an der Ruhr. Sie wurde im Jahre 1902 nach Plänen des Architekten Franz Hagen für den Mülheimer Kaufmann Heinrich Hanau (1857 – 1938), einen Neffen des Bankiers Gustav Hanau, errichtet. Das repräsentative Gebäude liegt an der Friedrichstraße. Die Villa ist ein zweigeschossiger Bau im Mischstil des späten Historismus. Zentrales Motiv der Fassade bildet ein Risalit, der in einer über beide Geschosse vorhandenen Nische geöffnet ist. Der Nische ist ein gebogen vorspringender Balkon mit Balustrade vorgelegt. Dreifenstergruppen füllen die Öffnung aus. Baukörper, Gliederung und Ornamentik der Villa greifen auf den Klassizismus zurück, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts wieder in Mode kam. Bauherr der Villa war der Kaufmann und Bankierssohn Heinrich Hanau. Sein Vater Gustav war als Privatbankier eines der prominentesten Mitglieder der jüdischen Gemeinde in Mülheim; der Bruder Leo übernahm das Bankhaus seines Vaters und brachte es 1897 in die gemeinsam mit August Thyssen und Hugo Stinnes gegründete Rheinische Bank AG ein. [1]
Villa Bagel, Friedrichstraße 62
Franz Hagen schuf 1912 ein weiteres repräsentatives Wohnhaus für den Druckereibesitzer Julius Bagel. Der zweigeschossige Baukörper besitzt ein hohes Sockelgeschoss und ein Mansarddach, dessen Gesims an der Straßenfront von einem Zwerchhaus durchbrochen wird. Die Fassade wird durch über beide Geschosse reichende Halbsäulen in Putz gegliedert. Dazwischen befinden sich breite, für diese Zeit charakteristische Fenster und im Erdgeschoss ein halbrunder Vorbau. Mittelpunkt des Innern war eine reich ausgestattete Halle, deren tonnengewölbter Hauptraum mit omamentreichen Verkleidungen in Holz und dunklem Stuckmarmor ausgestattet war. Auch weitere Räume waren luxuriös gestaltet.
Bauherr Julius Bagel war Nachkomme einer Hugenottenfamilie, die zunächst in Wesel ansässig gewesen war und sich seit dem frühen 19. Jahrhundert als Buchbinder und Verleger betätigte. Mit der Einführung der Schulpflicht in Preußen 1815 entwickelten sie die Idee des speziellen Schulbuchs für Kinder. Die ältere Schwester Klara heiratete Josef Thyssen - ein Bruder von August Thyssen - und errichtete mit diesem die Villa auf der benachbarten Straße Dohne - Haus-Nr. 54.
Die Villa Bagel steht beispielhaft für den Wohnsitz eines lokalen Unternehmers der jüngeren Generation und vertritt die großbürgerliche, verfeinerte Wohnkultur der späten Wilhelminischen Kaiserzeit. [1]
Weitere Links zur Stadt Mülheim an der Ruhr:
- Die Altstadt in Mülheim
- Altstadtfriedhof (Mülheim - Stadtmitte)
- Villen in Mülheim aus der Blütezeit der Industrialisierung
- Hauptfriedhof (Mülheim - Stadtteil Holthausen)
- Camera Obscura in Mülheim
- Schloss Landsberg bei Essen-Kettwig
- Dorf Mintard (Mülheim an der Ruhr)
- Kirche St. Laurentius in Mintard (Mülheim an der Ruhr)
- Dorf Saarn (Mülheim-Saarn)
- Kloster Saarn (Mülheim an der Ruhr)
- Otto Pankok Kleine Biografie eines großen Künstlers;
- Schloss Styrum (Stadtteil Styrum - Mülheim an der Ruhr)
- Schloss Broich an der MüGa in Mülheim an der Ruhr
- Neickmannshof (Haus am Wasser)
- Ringlokschuppen an der MüGa
- MüGa jenseits der Ruhr - Gelände der Landesgartenschau 1992 NRW;
- Petrikirche (Kirchenhügel - Stadtmitte)
- Jüdischer Friedhof an der Gracht (Mülheim - Stadtmitte)
- Wasserbahnhof (Schleuseninsel - Stadtmitte)
- Haus Ruhrnatur (Schleuseninsel - Stadtmitte)
- Raffelberg - altes Solbadgelände mit Park und Theater an der Ruhr;
- Theater und Konzerte - Veranstaltungshäuser;
Quelleninformationen:
1.: Die Informationen zu den Mülheimer Villen stammen von den Hinweisen vor Ort!
2.: Die Hinweise zur Broich-Speldorfer Wald- und Gartenstadt AG stammen aus der Mülheimer Stadtgeschichte - Historische Orte!
Weitere Informationen zum Kloster Saarn, zur Musik im Kloster Saarn, zur Kirchenmusik in der Petrikirche, zum Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr, zum Aquarius Wassermuseum und zu den Sehenswürdigkeiten in Mülheim finden Sie hier.